Demokratien sterben manchmal durchaus unter dem begeisterten Applaus des Volkes.
Wenn "Freiheit" zum abstrakten Begriff mutiert, während "Sicherheit" und "Wohlstand" dominieren, braucht man den Leuten eigentlich nur ein bisschen Angst machen:
a) davor, dass der böse Terrorist sie sprengt
b) davor, dass sie (natürlich im übertragenen Sinn) weniger zu fressen haben
Und schon werfen sie dafür alles andere über Bord.
Die Irrationalität der Masse hilft ja nicht nur dabei, an der Börse reich zu werden, sie eignet sich auch ganz hervorragend für staatliche Manipulationsmaßnahmen, formerly known as "Machtergreifung".
Wenn man bedenkt, dass mittlerweile ernsthaft vorgeschlagen wird, auf "Verdacht" in beliebige Computer einzubrechen oder Menschen auf "Verdacht" zu internieren oder ihnen das Handy bzw. Internet zu verbieten, fragt man sich natürlich nach der Verhältnismäßigkeit des Ganzen.
In Deutschland sind seit 9/11 durch islamistischen Terror 0,00 Personen zu Tode gekommen. 0,00 ist, nur als Beispiel, unstrittig
weniger als die Abertausenden von Verkehrstoten (sehr viele davon wegen Alkohol am Steuer). Wieso also wurde nie gefordert, dass staatliche Stellen die E-Mails von Bürgern lesen (und deren Telefone abhört), die sich zu Partys verabreden, wo Alkohol konsumiert wird? Durch diese Präventivmaßnahme hätten in den letzten Jahren zweifelsohne Hunderte von Leben gerettet werden können. Köstlich zudem die Gesichter der angeheiterten Mitbürger, die mit dem Auto von einer Party kommen, während zu Hause schon die Polizei mit dem Alkotest auf sie wartet.
Und wieso ist der Staat nicht präventiv (also auf Verdacht) in die Computer der Zigarettenindustrie eingebrochen, um herauszufinden, ob man dort tatsächlich ausschließlich wissenschaftliche Erkenntnisse besitzt, nach denen Rauchen
nicht so gefährlich ist? Und dass sie Zigaretten tatsächlich
nie an Jugendliche vermarkten wollten? Hey, wenn alles korrekt ist, braucht es der Bürger oder die Firma ja nie zu erfahren, oder?
Und wenn etwas nicht stimmt, dann heiligt der Zweck ja offenbar die Mittel.
Man könnte natürlich auch einen Bruchteil der für den "Krieg gegen den Terror" vorgesehen Mittel in kostenlose Schutzimpfungen, Aidsprävention, Gesundheitsvorsorge, sichere Straßen, umweltfreundlichere Autos und ähnliches stecken und damit weltweit jedes Jahr 100.000e von Toten verhindern.
Ein abstruses Argument pro Terrorkrieg ist freilich, dass man die (bisher fehlenden) Terrortoten ja nicht überbewerten dürfe, weil die bösen Terroristen ja das ganzganzgroße Ding planen. Eben jenen "mass murder on an unimaginable scale", den gewitzte Islamisten jederzeit mit Deospray und ner Flasche Warsteiner abziehen können. Man kennt die Horrorszenarien zur Genüge: explodierende Atombomben in Innenstädten, schmutzige Bomben, biologische Angriffe aufs Trinkwasser - oder einfach alles, was sich in den letzten sechs Staffeln von "24" zugetragen hat.
Es geht bei dem "jedes Mittel rechtfertigenden Zweck" also darum, die Realitätwerdung der siebten Staffel von "24" zu verhindern. Was neckisch ist, denn Atomkraftwerke können auch ohne Terroristen explodieren - ist bekanntlich auch schon passiert (mit unschönen Folgen), hinzu kommen ein paar Beinaheunfälle. Aber: Ist der Geheimdienst daraufhin in die Rechner der Stromkonzerne eingebrochen, um zu überprüfen, ob dort auch wirklich alles mit rechten Dingen zugeht, keine Mängel verschwiegen werden, kein Pfusch vertuscht werden soll? Kurzum: dass die größmögliche Sicherheit wirklich gewährleistet ist?
Es ist schon seltsam: Unter dem Vorwand "Terror" sollen sich die Bürger nach der Devise "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" rundum überwachen, verfolgen und ausspionieren sowie bei Verdacht auch wegsperren lassen. Geht es aber um die wirklichen Herausforderungen und Gefahren, die nachweislich schon Tausenden oder gar Millionen das Leben gekostet haben, verfährt man nach dem Vogel-Strauß-Konzept oder auch dem Mikado-Prinzip: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.
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