Seit einem Monat gelten die neuen EU-Richtlinien für Handgepäck, die meisten Fluggäste nehmen sie gelassen hin. Doch wenn Parfüm und Alkohol im Müll landen, rastet immer wieder einer aus.
Die Frau war wütend. Sehr wütend. Darüber, dass die Kontrolleurin sie mit ihren mitgebrachten Fläschchen und Flakons nicht zum Flugzeug lassen wollte. Darüber, dass sie diese in den Müll werfen sollte, einfach so. Und schließlich darüber, dass niemand ihr den Schaden ersetzen würde. Da schlug die Frau zu.
„Eine richtig schön schallende Ohrfeige war das“, sagt Rolf Oberndörfer, Leiter der Luftsicherungsstelle am Flughafen München. Aber eigentlich eher eine Ausnahme.
Die meisten Passagiere hätten sich mit den neuen Vorschriften fürs Handgepäck bei Flugreisen abgefunden, so Oberndörfer. Sie packen ihre Wasserflaschen gottergeben in den Koffer oder kaufen sich erst nach der Sicherheitsschleuse etwas zu trinken.
Dabei sind die Kontrollen seit den Terroranschlägen von 2001 sowohl für Passagiere als auch für die Kontrolleure zunehmend aufwändiger geworden: Während die Fluggäste früher nur durch den Rahmen eines Metalldetektors gingen, müssen die Kontrolleure nun Person für Person abtasten. Besonders unangenehm: Man muss inzwischen auch die Schuhe ausziehen. Das Verständnis der Passagiere nehme mal zu, mal ab – „je nachdem, ob gerade ein Ereignis wie die geplanten Terroranschläge in London war“, erklärt Oberndörfer.
Wenn doch einer zu schimpfen anfängt, die Kontrolleure gar beleidigt, versuchen sie, Ruhe zu bewahren und die Situation nicht eskalieren zu lassen. „Wir können die Ohren zumachen“, sagt der Sicherheitsprofi nach gut 20 Jahren Berufserfahrung. Die Augen schließen vor all den kuriosen Szenen, die sich seit Neuestem an den Sicherheitskontrollen abspielen, das geht natürlich nicht.
Menschen versuchen, möglichst viel an den Kontrollstellen auszutrinken, bevor sie die Flaschen abgeben. Andere löffeln hektisch ihren Joghurt, während die Kontrolleure auf die Leibesvisitation warten. Ein Mann aus Moskau konnte es nicht verkraften, seine volle Wodkaflasche im 120-Liter-Abfallcontainer zu entsorgen. Und trank. Und trank. Und trank.
Bis die Flasche leer war. „Nach den neuen Handgepäckregeln war der Mann jetzt flugfähig,“ erzählt Oberndörfer. Ansonsten allerdings nicht. Selbst ein alkoholaffiner Russe verkraftet einen Dreiviertel-Liter Wodka auf ex nicht ohne weiteres. Der Passagier stellte sich an einen Lufthansa-Schalter und erleichterte sich. Und blieb daraufhin am Boden.
Probleme mit Reisenden aus Nicht-EU-Ländern
Dass die Leute nicht begeistert sind, wenn sie teuren Wein und Whiskey wegwerfen müssen, versteht Oberndörfer. Doch die meisten Touristen aus den EU-Ländern haben sich darauf eingestellt und packen diese Mitbringsel in den Koffer. Anders die Reisenden, die aus Nicht-EU-Ländern ankommen und umsteigen müssen. „Viele kennen die neuen Bestimmungen nicht und kaufen im Abflugland am Duty-free-Shop noch groß ein.“
Diese Flaschen landen in der Tonne und werden vom Flughafen entsorgt. Trotz dieser Enttäuschung kommt es nur selten zu gewaltsamen Ausfällen.
So wie am Münchner Flughafen, als gleich zwei Deutsche durchdrehten: Ein Cottbuser wollte nicht einsehen, dass er mehrere Flaschen Alkohol und eine Trinkflasche nicht mehr mitnehmen durfte. Er kippte das Wasser einer jungen Angestellten über den Kopf. Auch einen Hamburger verließ die norddeutsche Zurückhaltung ob der neuen Regeln: Rasend warf er seine Flasche mit Rasierwasser nach einem Kontrolleur. Getroffen wurde eine Trennscheibe, an welcher der Flakon 2000 Euro Schaden anrichtete.
Gegen den Hamburger wird nun wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt, gegen den Cottbuser wegen Beleidigung und Körperverletzung. Auch die Frau, die eine Kontrolleurin ohrfeigte, wurde angezeigt.
Ans Ziel kommen Randaliere meist nicht, selbst wenn sie die Kontrollen passiert haben: Flugkapitäne können sich genauso wie bei Sturzbetrunkenen weigern, gewalttätige Gäste an Bord zu lassen.
06.12.2006
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