Ausgleichszahlung/unzuständiges Gericht/Erfolg mit EUclaim

Dieses Thema im Forum "Reiserecht" wurde erstellt von dejure, 11. Januar 2012.

  1. dejure

    dejure Einsteiger

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    Im Kontrast zu den zahlreichen hängigen, kann hier über einen erfolgreich abgeschlossenen Fall bezüglich Durchsetzung der Fluggastrechte gemäss Verordnung (EG) 261/2004 berichtet werden.

    Sachverhalt

    Am 25.06.2010 wollten meine Frau und ich mit Easyjet einen Rückflug von Berlin nach Basel antreten. Erst via Anzeigetafel des Flughafens Berlin-Schönefeld erfuhren wir, dass unser Flug EZY4639 gestrichen sei. Wie in den Internetforen hinlänglich beschrieben, wurden die gestrandeten Passagiere völlig allein gelassen und seitens der Fluggesellschaft Easyjet gab es keinerlei Betreuung.

    Nachdem wir am nächsten Tag via Zug wieder zu Hause in der Schweiz angekommen waren, ging es darum, unsere Rechte wahrzunehmen. Nur aufgrund von Hinweisen in Foren gelang es mir, eine geeignete Kontaktadresse von Easyjet zu finden (heute: http://easyjet-de.custhelp.com/app/ask/). Ich verlangte die Rückerstattung des Flugpreises und eine pauschale Ausgleichszahlung von 2x EUR 250 gemäss der auch in der Schweiz geltenden Verordnung (EG) 261/2004. Easyjet antwortete umgehend, dass der Preis des ausgefallenen Fluges von 2 x CHF 158.45 zurückerstattet werde, die Ausgleichszahlung aber wegen eines nicht weiter umschriebenen "aussergewöhnlichen Umstandes" nicht geschuldet sei. Nachfragen wurden mit nichtssagenden Textbaustein-Floskeln abgeschmettert.

    Anzeige bei Luftfahrtsbehörde

    Nach vorgängigen Erkundigungen beim schweizerischen Bundesamt für Zivilluftverkehr BAZL erstattete ich via einem bereitgestellten Formular eine ausführliche Anzeige beim deutschen Luftfahrt Bundesamt LBA. Sechs Wochen später erhielt ich eine Eingangsbestätigung mit Aktenzeichennummer. Seither habe ich von diesem Amt aber nichts mehr gehört. Es war aber stets klar, dass Luftverkehrsämter beim Durchsetzen von Einzelansprüchen nicht behilflich sind. Vielmehr haben sie das Funktionieren des Luftverkehrs im Allgemeinen zu beaufsichtigen und können Regelverstösse z.B. mit Bussen ahnden.

    Vorgehen der Rechtsschutzversicherung

    Als Inhaber eines Reiseschutzbriefes der Verkehrsclubs der Schweiz (VCS-Schutzbrief) gelangte ich an die für Rechtsschutzangelegenheiten zuständige Stelle der Firma COOP-Rechtsschutz AG. Ein eingeschriebener Brief der Versicherung ergab in der E-Mailantwort von Easyjet, dass der Flugausfall im Zusammenhang mit einem Fluglotsenstreik in Frankreich vom Vortag stehe. Dies stelle im Sinne der Verordnung einen "aussergewöhnlichen Umstand" dar und Easyjet müsse deshalb keine Ausgleichszahlung leisten. Die Nachfrage nach dem konkreten Zusammenhang zwischen dem Streik und dem ausgefallenen Flug einen Tag nach Streikende und zudem bei einem Flug, der weitab vom bestreikten Territorium unterwegs gewesen wäre, liess Easyjet unbeantwortet.

    Somit drängte sich der Rechtsweg auf. Gemäss Urteil des Europäischen Gerichtshofes kann
    "... nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag ..." angerufen werden. Obwohl Zweifel bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des Gerichtes in Basel bestanden und obwohl keine Praxis zur Anwendung der Verordnung (EG) 261/2004 durch Schweizer Gerichte bekannt war, wollte die Versicherung die Klage in Basel einreichen.

    Zivilgericht Basel-Stadt erklärt sich als nicht zuständig

    Nach etlichen Verzögerungen fand am 20.06.2011 am Zivilgericht Basel-Stadt eine Verhandlung statt. Die Gegenpartei plädierte dort erwartungsgemäss, dass die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes nicht gegeben sei. Zudem verlangte sie in einer Eventualposition die Abweisung der Klage. Dies, weil ein "aussergewöhnlicher Umstand" vorliegen würde. Vorangegangene Fluglotsenstreiks in Frankreich und Italien hätten den Flugbetrieb von Easyjet durcheinandergebracht und in der Folge sei für unseren Abendflug von Berlin nach Basel kein ausreichend ausgeruhtes Flugpersonal verfügbar gewesen. Auffällig war der grosse Aufwand, den der Anwalt von Easyjet betrieben hatte. Die abgegebenen Plädoyernotizen (inkl. der vorgelegten "Beweise") umfassten nicht weniger als 57 Seiten. Offensichtlich sollte das Entstehen einer möglicherweise konsumentenfreudlichen Schweizer Gerichtspraxis im Keim erstickt werden. Erst zwei Monate nach der Verhandlung erhielten wir den Entscheid: Das Gericht erklärte sich tatsächlich als nicht zuständig. Dies, weil der Basler Flughafen (inkl. des Schweizer Sektors) ausserhalb des schweizerischen Territoriums liege.

    Erfolg mit EUclaim

    Nach diesem Nichteintreten in Basel blieb noch der Gang an eines der zuständigen Gerichte im Ausland, entweder in Grossbritannien (Sitz der beklagten Partei), Deutschland (Abflugort) oder Frankreich (Ort, wo der Basler Flughafen tatsächlich liegt). Allerdings mochte die Firma COOP-Rechtsschutz AG den Kampf nicht länger unterstützen. Sie machte geltend, dass sich der Versicherungsschutz laut Kleingedrucktem auf Ansprüche mit Gerichtsort in der Schweiz beschränke.

    Obwohl jetzt alleingelassen, kam nur ein entschlossenes Weiterkämpfen in Frage. Angesichts der konsumentenfreundlichen Gerichtspraxis in Deutschland erwog ich, beim für Berlin-Schönefeld zuständigen Amtsgericht Königs Wusterhausen zu klagen. Abklärungen bei mehreren Anwälten hatten allerdings ergeben, dass das Honorar sogar im wahrscheinlichen Erfolgsfall die erstrittene Summe samt Parteientschädigung hätte übersteigen können. Möglich wäre aber gewesen, die Gerichtseingabe ohne Anwalt selber zu verfassen und einzureichen. Ein geeigneter Musterschriftsatz war (und ist) im Internet leicht auffindbar. Dem stand entgegen, dass es zu einer Vorladung hätte kommen können, was mit erheblichen Reisekosten und Zeitaufwand verbunden gewesen wäre. Ausserdem war zur Frage, ob die Nachwirkung eines Streiks allenfalls doch einen "aussergewöhnlichen Umstand" darstellt, kein Urteil bekannt. Auch wenn der Text der EU-Verordnung 261/2004 dem klar entgegenzustehen scheint, musste doch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass die Gegenpartei eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage suchen könnte. Dadurch hätten sich erhebliche Risiken ergeben (z.B. durch ein Verfahren über mehrere Instanzen hinweg). Hier bieten die auf Erfolgsbasis operierenden Durchsetzungsunternehmen wie EUclaim und flightright Abhilfe. Diese Firmen entbinden ihre Kunden vom Kostenrisiko, beanspruchen aber im Erfolgsfall einen Teil des Streitwertes.

    EUclaim zeigte sich sofort interessiert, während flightright den Fall nicht übernehmen wollte, da er bereits einmal vor Gericht verhandelt worden sei. So übergab ich den Fall am 28.09.2011 an EUclaim. Und nun ging alles sehr schnell. Eine erste Zahlungseinladung an Easyjet blieb zwar ohne Reaktion, ebenso deren Wiederholung. Darauf schaltete EUclaim einen Anwalt ein, der Easyjet eine letzte Frist setzte. Zum allerletzten Zeitpunkt dieses Ultimatums, d.h. am 25.11.2011 lenkte Easyjet ein, anerkannte den Anspruch und erklärte sich bereit, die geschuldeten Ausgleichszahlungen für zwei Personen von insgesamt EUR 500 zuzüglich der Kosten für die Inanspruchnahme des beauftragten Anwaltes zu begleichen. In der Folge überwies EUclaim den mir zustehenden Anteil von EUR 340. Dadurch hat der lange Kampf endlich ein befriedigendes Ende gefunden.

    Schlussbemerkungen

    Nach dem Erfolg mit EUclaim beanstandete ich beim Geschäftsleiter von COOP-Rechtsschutz, dass die Versicherung mit unserem Fall nur ihre eigenen Ziele verfolgt und die Kundschaft danach fallen gelassen habe. Im Antwortschreiben gab COOP-Rechtsschutz bekannt, dass sie aus dem verunglückten Fall ihre Lehren gezogen hätten und dass ungedeckte Kosten nun doch noch übernommen würden.

    Mit der Dienstleistung von EUclaim war ich sehr zufrieden. Nach dem Einloggen auf dem Kundenportal war der Stand der Dinge jederzeit ersichtlich und die entsprechende Korrespondenz konnte eingesehen werden. Den Erfolgsanteil von EUclaim erachte ich als fair, zumal der Aufbau einer von den Fluggesellschaften ernst zu nehmenden Kompetenz und Entschlossenheit seinen Preis hat. Wenn EUclaim mit ihrem Geschäftsmodell allenfalls riskantere Fälle im Grenzbereich der Durchsetzbarkeit nicht übernehmen kann, muss meines Erachtens Verständnis dafür aufgebracht werden.

    Weniger erfreulich ist der Umstand, dass in der Schweiz ein Durchsetzen der Ansprüche gemäss Verordnung (EG) 261/2004 nach wie vor schwierig ist. Weder ist eine Gerichtspraxis bekannt, noch scheinen - wie sich zumindest im vorliegenden Fall gezeigt hat - Versicherungen und Richter gewillt zu sein, die berechtigten Ansprüche der stehen gelassenen oder verspätet beförderten Flugpassagiere tatkräftig schützen zu wollen. Eine Änderung wird sich wohl erst dann einstellen, wenn möglichst viele Betroffene handeln und auf ihrem guten Recht bestehen.
     
  2. flumats

    flumats Silver Member

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    Re: Ausgleichszahlung/unzuständiges Gericht/Erfolg mit EUcla

    Vielen Dank für die präzise Darstellung des Falles.
    Man sieht, wenn man beharrlich dran bleibt, hat man mit Hilfe der auf Luftverkehrsrecht spezialisierten Unternehmen,
    durchaus Chancen, auch bei hartleibigen Airlines sein Recht durchzusetzen.
    Das sollte auch anderen Mut machen! Und wenn erst mal eine kritische Menge an Kunden seine Rechte einklagt,
    dürfte die wohl auch einen erzieherischen Effekt auf die Airlines haben.
    Damit könnten dann auch diejenigen profitieren, die so eine langwierige Auseinandersetzung eher scheuen. Danke!
     
  3. Dark Helmet

    Dark Helmet Pilot

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    Re: Ausgleichszahlung/unzuständiges Gericht/Erfolg mit EUcla

    Gratulation zu dem erreichten Ergebnis. Gerade weil easyJet sich einen Dreck um gestrandete Passagiere schert, freut mich der Ausgang umso mehr.
     
  4. TallestHotelInJapan

    TallestHotelInJapan Silver Member

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    Re: Ausgleichszahlung/unzuständiges Gericht/Erfolg mit EUcla

    OP, ich habe einen ähnlichen Fall. Ich werde mich nun ähnlich wie du an die EUClaim wenden müssen.

    Wie funktioniert das Vorgehen dort? Wenn ich meine Flugdaten eingebe, dann bekomm ich die Meldung "You may be entitled to compensation! Based on an analysis of the official arrival and departure times, you possibly qualify for a financial compensation. There are several means to claim your compensation. Click on the product of your choice below to proceed with your claim.".

    Unten kommen dann drei Felder:
    - Do it yourself
    - Credit card
    - Flight Delay Statement

    Ich möchte aber kein Statement sondern den Fall an EUClaim übergeben. Was muss ich nun tun?
     

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