Eine neue Klasse soll anspruchsvolle und dennoch preisbewusste Flugreisende bedienen: Premium-Economy bietet mehr Platz und bessere Betreuung, ohne so teuer zu sein wie die Businessclass.
Mehr Platz an Bord:
Immer mehr Fluggesellschaften bieten aufgewertete Economy-Klassen
Weiter als nach Neuseeland führt von Europa keine Flugstrecke. Rund 24 Stunden reine Flugzeit zieht sich die Reise von London über Los Angeles bis nach Auckland. Mit dem neuerdings angebotenen Zwischenaufenthalt in Hongkong dauert sie sogar 26 Stunden und 40 Minuten. Da muss sich die neuseeländische Gesellschaft Air New Zealand Gedanken machen, wie sie ihre Passagiere aus Europa über einen derart langen Zeitraum bei Laune halten kann.
Vor allem Geschäftsreisenden, die nach Ankunft sogleich Termine und Besprechungen wahrnehmen müssen, ist es kaum zumutbar, einen solchen Mammutflug auf engen Sitzen zu verbringen. Dennoch buchen viele Firmen ihre Mitarbeiter inzwischen aus Kostengründen nur noch in die Touristenklasse. Auch Urlauber hätten es zumindest auf transkontinentalen Flügen gern etwas bequemer, gleichwohl reicht oft auch ihr Reisebudget nicht aus für die teuren Business-Tickets.
Was also tun? Air New Zealand entschied sich für ein neues Konzept, warf die oft nur dürftig besetzte Firstclass hinaus und installierte stattdessen eine verbesserte Businessclass mit ebenen Betten in einem eigenen Abteil für jeden Passagier. Außerdem führte die Gesellschaft eine neue Zwischenklasse ein: die "Pacific Premium Economy" mit deutlich mehr Komfort gegenüber der üblichen Economyclass bei einem vergleichsweise geringen Aufschlag. 800 Euro mehr kostet der Hin- und Rückflug für dieses Upgrade. Die Businessclass wäre mehr als doppelt so teuer.
Und das neue Produkt ist ein Erfolg. "Die durchschnittliche Auslastung beträgt 80 Prozent, zu Spitzenzeiten sogar 95 Prozent", sagt Ed Sims, bei Air New Zealand für die internationalen Strecken zuständig. Deshalb wird nicht einmal ein Jahr nach der Einführung das Platzangebot der "Pacific Premium Economy" bereits aufgestockt.
Eine Zwischenklasse erstmals angeboten hat EVA Air
Die Idee einer vierten Klasse zwischen dem teuren Business-Abteil und der gewöhnlichen Economy-Kabine ist allerdings nicht neu und keine Erfindung der Neuseeländer. Die taiwanische EVA Air ist der Pionier, sie führte schon 1991 ihre "Evergreen Deluxe Class" auf der Boeing 747-400 ein.
Fast zehn Jahre dauerte es, bis die ersten großen Gesellschaften dem Beispiel von EVA folgten. Rechtzeitig bevor in vielen Firmen aus Kostengründen verschärfte Reiserichtlinien erlassen wurden, brachte British Airways im Jahr 2000 "World Traveller Plus" als Premium-Economy auf den Markt.
Das auf allen Langstrecken ab London-Heathrow angebotene Produkt dürfte für den deutschen Markt das wichtigste sein. Denn direkt ab Frankfurt bieten nur zwei asiatische Gesellschaften solche Zwischenklassen an: die japanische ANA auf ihren täglichen Tokio-Diensten und Vietnam Airlines viermal wöchentlich in ihren neuen Boeing 777-200 ER nach Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt.
SAS hat die Idee der Zwischenklasse aufgegriffen
Unter den großen europäischen Gesellschaften stehen die Briten mit einer aufgewerteten Economy-Kabine auch im siebten Jahr immer noch weitgehend allein da. Lediglich die skandinavische SAS hat die Idee aufgegriffen. Kunden können in der Premium-Economy zwischen 13 und 18 Zentimeter mehr Beinfreiheit als in der üblichen Economy erwarten, gut 96 Zentimeter Abstand haben sich als Mindeststandard etabliert. Außerdem bietet die neue Klasse Annehmlichkeiten wie ausfahrbare Fußstützen, bis zu fünf Zentimeter breitere Sitze, Laptop-Steckdosen am Platz und teilweise sogar einen eigenen Check-in-Schalter.
Dennoch, und das sollten Reisebüros ihren Kunden deutlich machen, orientiert sich das Produkt mehr am Economy-Standard als an der Businessclass. Das spürt man zum Beispiel bei der Auswahl an Essen und Trinken.
Unterschiedlich sind die für die bequemeren Sitze verlangten Aufpreise. Sie richten sich nach der bedienten Region und dem Zeitpunkt der Buchung. Auf Flügen über den Atlantik kosten die Premium-Tickets oft bis zu 85 Prozent mehr als der Standard-Listenpreis (ohne Sonderangebote). Es zahlt sich mitunter aus, erst kurz vor Abflug zu buchen. Dann kann der Aufschlag bei geringer Nachfrage schon mal auf 10 bis 35 Prozent sinken.
Kurzfristiges Buchen kann sich auszahlen
Weniger flexibel gestaltet sich die Situation bei den langen Asien- und Transpazifikflügen. Hier sind grundsätzlich mindestens 95 Prozent Aufpreis üblich. Aber auch hier lohnt es sich, kurzfristig oder erst beim Einchecken nach einem Upgrade in die Premium-Economy zu fragen. Das Risiko ist natürlich, dass dann alle Plätze weg sind.
Am teuersten verkauft die japanische ANA ihr Premium-Economy-Abteil, wo ein Sitzplatz mehr als dreimal so teuer ist wie ein Platz in Economy. EVA Air hingegen verlangt - bei gleichem Sitzabstand wie ANA - gerade mal 275 Euro Aufschlag für Hin- und Rückflug.
Ein weiterer Pluspunkt der Premium-Economy vor allem für Geschäftsreisende: Bei vielen Gesellschaften können die Tickets ähnlich flexibel umgebucht werden wie in der Businessclass.
Gravierende Unterschiede gibt es zwischen den Fluggesellschaften bei den für Premium-Economy gewährten Bonusmeilen. Spitzenreiter bei der Meilengutschrift ist SAS: "Economy Extra"-Gäste erhalten einen 50-prozentigen Aufschlag, während anderswo das Meilenkonto kaum profitiert. British Airways gewährt nur einen Bonus von zehn Prozent gegenüber dem Economy-Tarif, Air New Zealand verweigert den Aufschlag sogar gänzlich.
Noch ein Blick über den Atlantik
Bei nordamerikanischen Fluggesellschaften ist eine aufgewertete Economy-Kabine weitgehend unbekannt. Nur Air Canada bietet auf bestimmten Strecken (nicht nach Deutschland) die "Club Class" mit üppigen Sitzabständen zwischen 96,5 Zentimetern und 1,09 Metern.
Für eine eigene Lösung hat sich die US-amerikanische United Airlines entschieden. Sie hat in ihrer gesamten Flotte einen Economy-Plus-Bereich geschaffen, der jeweils die vorderen Reihen der Economy-Kabine umfasst und bis zu 12,7 Zentimeter mehr Beinfreiheit bietet. Eine Abtrennung als eigene Kabine gibt es aber nicht.
Auf der zumeist ab Deutschland eingesetzten Boeing 777-200 sind das bis zu 80 Sitze in zehn Reihen. Zugriff auf diese Plätze haben ohne Zuzahlung Fluggäste mit Economy-Tickets zum vollen Preis sowie Vielflieger und Statuskunden, etwa Inhaber einer Star-Alliance-Karte in Silber oder Gold.
Artikel erschienen am 18.11.2006
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