Der Retter kam schon wieder aus Amerika.
Kurz vor der Adventszeit meldete sich der Investor Fred H. Langhammer und verkündete großspurig, er gedenke den Flughafen Tempelhof für schlappe 350 Millionen Euro zu retten. Eine Luxusklinik für sieche Gutbetuchte ("International Health Center") plane man im drittgrößten Gebäude der Welt unterzubringen, Krebs, Diabetes und Herzschwäche künftig im Hangar zu heilen. Nebenan im "Regional Health Center" sollten sich fürderhin 60 Ärzte um gemeine Kranke kümmern. Den Rest der gut 300 000 Quadratmeter, so Langhammers Vision, könnten sich ein Kongresszentrum, ein Hotel, ein Museum und die Polizei teilen.
Ein toller Plan - mit nur einem Haken: Bedingung sei, dass zumindest Geschäftsleute weiterhin von Tempelhof aus in die Luft gehen dürfen. Das könnte schwierig werden. Am heutigen Dienstag nämlich verhandelt der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts eine Klage der sechs in Tempelhof verbliebenen Fluggesellschaften gegen die Schließung des legendären Airports. Sollten sie scheitern, dann gehen in Tempelhof am 31. Oktober 2007 die Lichter aus. Dann war's das für die "Mutter aller Flughäfen" (Sir Norman Foster). Wohl endgültig.
Es wäre der Schlusspunkt hinter einer Luftnummer, die in Berlin seit ziemlich genau zehn Jahren auf dem Spielplan steht. Atemberaubende Loopings und Beinahe-Abstürze inbegriffen. Damals, 1996, beschlossen Berlin und Brandenburg gemeinsam mit dem Bund, den ehemaligen DDR-Flughafen Schönefeld zum internationalen Luftdrehkreuz auszubauen. Für Zwei Milliarden Euro. Oder auch mehr. Spätestens mit der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) sollen dann die beiden anderen Berliner Airports, Tegel und Tempelhof, geschlossen werden.
Im Fall von Tempelhof, weltberühmt seit der US-Luftbrücke 1948/49, lieferten sich Gegner und Liebhaber seither erbitterte Scharmützel. Mehrfach stand Tempelhof vor dem Aus, immer wieder konnten seine Anhänger etwas Zeit schinden. Seit die Baugenehmigung für BBI jedoch höchstrichterlich abgesegnet wurde, ist die Politik wild entschlossen, das Aus auf Raten zu beschleunigen: Ende August segelte den sechs noch in Tempelhof verharrenden Fluggesellschaften der Schließungsbescheid ins Haus. Obwohl vom Großflughafen Schönefeld noch nichts zu sehen ist. Mit Glück 2011, wohl eher 2012 wird der BBI eröffnet.
Nicht nur deswegen ist Bernhard Liscutin, Tempelhofs beherztester Anhänger, rechtschaffen erbost. "Berlin", sagt der Sprecher der bockbeinigen Fluggesellschaften, "ist dabei, einen seiner größten Fehler zu begehen". Alle anderen Weltmetropolen würden die deutsche Hauptstadt um ihren City-Airport beneiden. Für Geschäftsleute sei Tempelhof ein Glücksfall. Von der sagenhaften Geschichte des 83 Jahre alten Flughafens ganz zu schweigen. Das Argument, Tempelhof sei mit seinen jährlich zehn Millionen Euro Verlust zu teuer, hält Liscutin für vorgeschoben: "Man will den Flughafen um jeden Preis schließen, ohne genau zu sagen, warum - also muss man Gründe konstruieren."
In der Tat fällt auf, dass die Verantwortlichen seit Jahren stur am so genannten Konsensbeschluss von 1996 festhalten - gerne mal mit auffallend wolkigen Formulierungen. So bügelte Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) erst jüngst den Vorschlag von US-Investor Langhammer ab. Es sei "eindeutig", dass Tempelhof geschlossen werde, so Wowereit. Wie alle anderen in der rot-roten Koalition verwies auch er auf diffuse "Risiken" für Schönefeld, sollte der Flugbetrieb in Tempelhof weitergehen. Worin genau die bestehen? Dazu nichts Näheres. Vermutlich wird deshalb auch die kalifornische Investorengruppe Capricorn Management beim Senat abblitzen. Die ließ soeben wissen, sie würde ein "Milliardenkapital" zur Verfügung stellen, sollte sie in Tempelhof grünes Licht für einen Business-Airport mit Geschäftszentrum erhalten.
Fragt man die Fachleute von SPD und Linkspartei, heißt es stets, man würde Klagen gegen Schönefeld neue Nahrung geben, schlösse man Tempelhof nicht. Juristisch aber ist das durchaus umstritten. Seltsam auch: Gerade lässt Brandenburg prüfen, ob man den kleinen Airport Finow nördlich von Berlin nicht ausbauen kann. Wäre das kein Verstoß gegen den Konsensbeschluss? Worum geht's also in Tempelhof? "Um eine rein politisch motivierte Entscheidung", argwöhnt Bernhard Liscutin.
Heute nun entscheidet das Oberverwaltungsgericht. Und egal wie es ausgeht: Mindestens ein Problem bleibt. Würde Tempelhof tatsächlich geschlossen, wären mitten in Berlin plötzlich 386 Hektar Fläche frei. Was tun damit? Der bisherige Plan des Senats sieht ein Wiesenmeer vor, poetisch "Park der Luftbrücke" genannt, mit Wohnungen und Gewerbe in den Randlagen. Wer das bezahlen soll, hat bislang niemand verraten.
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