TXL-MUC-SFO-LAS

Dieses Thema im Forum "Trip Reports" wurde erstellt von vegaslars, 20. November 2009.

  1. vegaslars

    vegaslars Gold Member

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    Nie wieder wollte ich nach Las Vegas. Aber dann gab es diese günstigen Hotelangebote, den Business-Award und die Idee, in Krisenzeiten zurück zur Dekadenz zu finden.
    TXL-MUC: Prominente an Bord! Direkt vor mir, in der ersten Reihe, sitzt Sybille Weischenberg. Die Gute lebt nicht schlecht davon, das Verhalten wirklich Prominenter öffentlich zu interpretieren. Weiter hinten, aber noch Biz, sitzt Kai Pflaume. Der alternde Moderator wird ja häufiger gesichtet. Als er beim Einsteigen Frau Weischenberg sieht, geht er schnell weiter, in der Hoffnung von ihr unbemerkt zu bleiben. Sie ist wie immer zu stark und sehr unvorteilhaft geschminkt. Aber darunter ist sicher ein großartiger Mensch.
    MUC-SFO: Mein erster Langstreckenflug in der Business Class, meine Erwartungen sind hoch. Es liegt mir fern Aufsehen erregen zu wollen, aber für einen Gegenwert von fast 6000 Euro (sagt LH.de) möchte ich schon auf dem Rücken eines blauen Elefanten zum Flugzeug gebracht werden. Naja, ging auch so. Der Sitz ist schon nicht schlecht, könnte aber etwas breiter sein. Vor allem finde ich schön, niemanden zu stören, wenn ich meine Rückenlehne nach hinten stelle, sowie die Beine im Sitzen ausstrecken zu können, ohne irgendwo anzukommen. Versprochen war darüber hinaus ein 3-Sterne-Restaurant über den Wolken. Erster Gang: Wildpastete, dazu werden warme Brötchen gereicht, ergo: Leberwurstbrötchen, wird aber im Menü etwas aufwändiger beschrieben. Der Hauptgang enttäuscht auch menschlich: Man hat den legendären und unglaublich beliebten Gänsebraten mit Klößen wieder ins Programm genommen. Ich stochere lustlos in dem zähen, sehnigen Fleisch herum und frage mich, ob ich je zuvor Klöße in Tischtennisballgröße gesehen habe. In der Economy habe ich schon besser gegessen. Auch die Beschreibung des Desserts ist glamourös. Dass es dann schmeckt wie 3x eingefroren und wieder aufgetaute Coppenrath´s Sozialhilfe-Edition, überrascht mich nicht mehr.
    Nach dem Essen legt sich die Business-Class flach und grunzt zufrieden wie die Seelöwen am Fisherman´s Wharf in SFO. Wahrscheinlich riecht es auch so. Das "Sky-Bed" ist so gemütlich wie die Liege eines Krankenhaustransports. Aber ich muss das jetzt genießen. Über mir die Allianzen bildenden Sterne, unter mir der dunkelblaue Atlantik, neben mir ein schnarchender Asiate. Eine Stunde vor der Landung noch ein kleiner Servicetest: Ein Glas Champagner bitte! - Äh, ja, dann machen wir eben noch eine Flasche auf./Oh, tut uns Leid, der Champagner ist leider alle, aber dann werden wir Ihnen den aus der First-Class holen. (Fast wäre ich darauf hereingefallen.) / Also der in der First ist auch alle, aber wir habe noch einen ganz besonderen Wein für Sie (schon klar!).
    SFO: Wieder zuhause (obwohl das nicht stimmt)! Mit der Bart zum Civic Center. Mein Hotel und ich sind schon etwas in die Jahre gekommen, bilden uns jedoch ein, dank halbherziger Wartungsarbeiten und regelmäßiger Reinigung doch noch ganz passabel auszusehen. Ich wache viel zu früh auf und bin der erste am Ocean Beach. Dann kommen die Jogger, die Hundehalter, die Kaffeebecherträger. Am Strand liegt ein toter Seehund, aber sonst ist es traumhaft. In den nächsten Tagen klappere ich all meine Lieblingsorte ab und besuche zum ersten Mal Berkeley. Der Elite-Campus ist derart reizvoll, dass man sofort wieder studieren möchte. Obwohl Sonntag ist haben die klugen Stundenten das längste Sushi der Welt zubereitet und stehen stolz viele Meter lang drum herum. Das Event wird auch mit Mikrofon moderiert.
    SFO-LAS: Mein erster First-Class-Flug. Mit US-Airways. Zum Glück weiss ich vom Forum, was mich erwartet. Es gibt eine Tüte Kartoffelchips, Alkohol und Turbulenzen. Mein Zimmer im New York New York heißt Broadway deluxe, aber als Freund der französischen Literatur möchte ich mindenstens auf die Marquis-Suite upgraden. Stattdessen bietet man mir für unverschämte 50$ pro Nacht die nuttige Spa-Suite an. Es bleibt also beim Broadway deluxe, was wieder eine Enttäuschung wird. Das Bad ist klein und unmodern und der Blick geht auf das Achterbahngerüst und seitlich zum "Monte Carlo". Aber ich bin ja auch nicht zum Spaß hier. Nachdem das erste kleine Vermögen verloren ist, beschließe ich den anderen beim Verlieren zuzusehen. Vor meinen Augen gewinnt das reizende Paar dann nach 30 Sekunden an "meinem" Automaten 500$. Jetzt fällt mir auch wieder ein, warum ich nie wieder nach Las Vegas kommen wollte.
    Dann eben Kultur. Im Luxor besuche ich die Show von Criss Angel. Obwohl schon 42, ist der New Yorker griechischer Abstammung ein Zauberer der MTV-Generation und verkauft seine uralten Tricks mit dem technischen und künstlerischen Support des Cirque du Soleil. Zauberer neigen bekanntlich dazu etwas verschwinden zu lassen. Ob nun den Hasen im Zylinder, den Roy im Tiger oder die Twin Towers aus New York (ganz böser Magier aus fernem Land), in jedem Fall natürlich das Geld des hochverehrten Publikums.
    Der gute Criss begeht gleich zu Anfang einen schlimmen Fehler und widmet die Show seinem verstorbenen Vater. Wer seine Darbietung mit Tränendrüsengeschichten verkaufen muss, hat schon verloren. Das erinnerte mich an Celine Dion, deren Vater gestorben war am Tag, also ich sie im Colosseum gesehen habe. Sie heulte die ganze Zeit auf der Bühne herum und alle älteren Herrschaften im Publikum waren voll des Mitleids. Nur ich konnte leider bei dem gezahlten Eintrittspreis auf persönliche Familiendramen keine Rücksicht nehmen. Und während Criss also 100 Minuten lang vergebens versuchte sein Mindfreak-Image mit tausendmal gesehenen Tricks zu untermauern, verließ ich seine Show - Achtung Wortspiel - desillusioniert.
    Ich habe Hunger. Über meine Kopfhörer bringt 50 Cent "Candy Shop" zu Gehör, und wenn Curtis und ich auch unterschiedliche Auffassungen von Süßigkeiten haben, so führen mich die arabischen Klänge des Songs doch direkt zum Spice Market Buffet des Planet Hollywood, meinem letzten Domizil hier. Der Kaffee ist unerträglich, aber das Essen super.

    Manchmal wendet sich das Blatt in Las Vegas. Ich ziehe um auf die andere Seite des Strip ins Trump. Was für ein Zimmer, was für eine Aussicht. Abends laufe ich rüber zum CircusCircus und beobachte die Rentner. Wie Untote zum jungen Blut treibt es sie zu einer bestimmten Ecke mit Automaten, denn sie wissen, wo es was zu holen gibt. Manche spielen an 3 Maschinen gleichzeitig und immer mal wieder gewinnt sogar jemand den Höchstgewinn von 1000 $. Dabei wird ordentlich Kette geraucht, hier darf man das noch. Ein älterer Mann hat langes weißes Haar mit einer Feder und eine rechteckige Brille. Offensichtlich ist er hier, um sich zu holen, was ihm rechtmäßig zusteht. Am nächsten Tag bin ich wieder da. Die Alten auch, oder etwa immer noch? Ich setzte mich dazwischen, und als von meinem 100-$-Schein nur noch 8 übrig sind, sehe ich plötzlich die 3 blauen Siebenen nebeneinander. Es ist Freitag, der 13. und ich habe 1000 USD gewonnen. Dann passiert etwas, was mir sehr peinlich ist. Die gruseligen Rentner kommen zu mir, klopfen mir auf die Schulter und gratulieren mir wirklich herzlich und liebevoll.
    Auf dem Rückflug gibt es wieder einen Service-Fauxpas: ich wähle die Schweinelende (2 Scheiben Wurst, wie sich später herausstellt) als Vorspeise und die Flugbegleiterin sieht mich an, als hätte ich Milch mit Blut bestellt. "Also wir haben...", sie zählt irgendetwas auf. Nein, ich möchte die Schweinelende. Ich zeige ihr das auf der Menükarte. Sie ist entrüstet. "Das ist nicht die richtige Karte." Sie zeigt sie der Kollegin, die das Gericht sofort hervor holt. Sie sollte schon wissen, was angeboten wird, vor allem bekomme ich nicht mal eine Entschuldigung.
    Wieder in München. Deutschland in Staatstrauer, weil irgendein Torwart den Ball mit einem Zug verwechselt hat. Ich werde es wohl auch diesmal nicht besonders lange hier aushalten.
     
  2. helge610

    helge610 Gold Member

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    Schöner Bericht, macht Spaß zu lesen!
     
  3. Kalttaucher

    Kalttaucher Diamond Member

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    Danke dir für die Mühe hat Spaß gemacht zu lesen.
     
  4. Maurice

    Maurice Guest

    Den REisebericht fand ich auch amüsant und kurzweilig. Vielen Dank. Ein Wehmutstropfen hinterlässt der Bericht aber bei mir. Nächstes Jahr werde ich wohl die Meilen für einen Businessflug nach den USA zusammen haben und die Vorfreude darauf lässt im Augenblick merklich nach.
     
  5. t_p_k

    t_p_k Pilot

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    Bis zu dem Satz war dein Tripreport sehr unterhaltsam, aber bei diesem Satz bin ich nur noch sprachlos, wie "sch***e man anscheinend im Kopf" sein kann.
    Entschuldigt die Wortwahl, aber das musste mal gesagt sein.
    :evil:
     
  6. miles-and-points

    miles-and-points Nach Verwarnungen dauerhaft verreist
    (User ist permanent gesperrt)

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    Solche Leute disqualifizieren sich doch durch solche "Scherze" :shock: ganz von allein.
    Und das nicht nur für sehr lange Zeit, sondern auch auf andere Bereiche bezogen. :idea:
     
  7. vegaslars

    vegaslars Gold Member

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    Was für ein dummer Fehler; es heißt natürlich Sibylle W, und nicht Sybille. Sorry!
     
  8. Alligator

    Alligator Diamond Member

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    ich fand den Bericht super und den letzten Satz überhaupt nicht verwerflich. Die Berichterstattung war doch wirklich reichlich übertrieben, als wenn es sonst keine Probleme gibt. War weder beleidigend noch sonstwas. Alles klar.
     
  9. honk20

    honk20 Guest

    Schön zu lesender Bericht.

    Stimme mit der was die LH angeht total überein. Bei uns haben sie in der C nicht einmal vor dem Start Getränke serviert !!!!! Wo bei üblicherweise viel Zeit zur Verfügung steht :evil:

    Das Bllubberwasser gehört aber dazu vor dem Abflug, bzw. nach dem Start in der E (im Pappbecher ) :lol:
     
  10. NCC1701DATA

    NCC1701DATA Platinum Member

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    Denke, Dein größter Fehler war das "New York New York".
    Trump ist für LAS schon die richtige Wahl: Goldene Wasserhähne, tiefbrauner Marmor - diese schwülstige Dekadenz gehört zum zünftigen Las Vegas-Erlebnis einfach dazu. Genauso, wie einmal nachts in ein Billigkasino (Circus Circus ist schon OK) zu gehen um sich da mal die in bonbonfarbenen Kunstsamt- (=Nicki?) Hausanzügen gekleideten Rentnerinnen ketterauchend und mit Lockenwicklern in den Haaren beim Multitasking-Spielen zu beobachten...
    :twisted:
     
  11. Alligator

    Alligator Diamond Member

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    das echte Billigkasino (mit Hotel) heisst Gold Spike. Dort gibt es Tischspiele mit 1 Dollar Mindesteinsatz und Cent-Slots. Die Atmosphäre ist sehr speziell, 2000 kostete das Doppel mit Frühstück 20 Dollar. Als ich damals da wohnte hat jemand, mit dem ich im Aufzug hochfuhr in sein Wasserglas voll Wodka gebissen und dann wie verrückt aus dem Mund geblutet. Es ist eklig aber original originell.
     
  12. Tirreg

    Tirreg Diamond Member

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    Eigentlich schaue ich mir nur Trip-Reports an, die Fotos enthalten (viele bunte Bilder, wenig Text - so wie meine Lieblingszeitung). Aber dieser war wirklich amüsant geschrieben - vielen Dank!
     
  13. Guest

    Guest Guest

    Sehr schöner Reisebericht - ich verspüre trotz - oder vielleicht gerade wegen - des Berichts Lust spontan den nächsten Flieger nach Vegas zu nehmen, wobei das Circus Circus schon hardcore ist (hab da 2004 mal ne ganze Woche verbracht und dabei meinen Wissenstand über Zahnprothesen und künstliche Hüftgelenke enorm erweitert).

    Den Satz über Robert Enke find ich nicht verwerflich, natürlich ist sowas tragisch, aber mal ehrlich: kräht irgendein Hahn danach , dass sich in Deutschland alle 43 Minuten ein Mensch das Leben nimmt, dessen Leben für seine Freunde und Familie sicher genauso wertvoll waren?
     

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