VIETNAM 2012

Dieses Thema im Forum "Trip Reports" wurde erstellt von rainer1, 23. März 2012.

  1. rainer1

    rainer1 Diamond Member

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    Hi meine Lieben,

    nun sind es also doch etliche während der Reise mit Gedanken und Beschreibungen vollgekritzelte Blätter, Zettel, Reiseführer- und Stadtplanrückseiten geworden, die ich nun in den nächsten Tagen zu einem hoffentlich interessanten Ganzen verarbeiten muss. (und schon wieder Stress……) Viel Spass beim Lesen.

    Über die dramatische Geschichte Vietnams kann sich bei Interesse bitte jeder selbst schlau machen, ich erzähle euch nur meine ganz persönlichen Betrachtungen aus 15 Tagen, in denen ich in großen Sprüngen mit 7 Stopps 2000 der etwa 2500 km, über die sich das Land lang und schmal von den Bergen im Norden bis zum Mekongdelta im Süden erstreckt, durchquert –eigentlich ja durchlängst- habe.

    Es ist ein ziemlich schönes Land, rechts die Berge, links das Meer und dazwischen endlose saftig grüne Reisfelder voller fleißiger gebückter Menschen mit ihren typischen konischen Hüten am Kopf. Genauso wie man es sich vorstellt. Dazwischen Flüsse, Wassergräben voller riesiger Entenscharen, Gemüsefelder, Wasserbüffel, von der Umgebung nicht abgezäunte Friedhöfe mit völlig unordentlich durcheinander angelegten bunten etwa 1m hohen Betongräbern, einzelne zwischen oder mitten in den Feldern angelegte Gräber, so als müsste der Bauer genau dort begraben werden wo er umgefallen ist. Oft mitten in der Pampa kilometerlang supertoll ausgebaute aber kaum befahrene Geister-Straßenabschnitte mit 3 Spuren in jede Richtung, gepflegten blühend grünen Mittelstreifen und 4m breiten Gehwegen ohne Fußgängern weit und breit. Auch sonst sind die Überlandstraßen meist sehr großzügig angelegt, mit breiten Seitenstreifen, sodass überholen ohne den Gegenverkehr abwarten zu müssen möglich ist und daneben immer noch 1-2 Mopeds Platz haben, die als Schwächste zur Not eben ausweichen müssen. Sind die Straßen schmäler wird allerdings auch kaum anders gefahren. Dabei wird aber nicht gerast, im Ort halten sie sich streng an 40, außerhalb an kaum mehr als 90 km/h.

    Das Faszinierendste in Vietnam ist wohl ohnehin der Stadtverkehr, -man könnte glauben jeder hier kommt schon mit einem Moped unterm Arsch zur Welt. V.a. in Saigon gibt´s Mopeds wohin man schaut, auf jedem Gehweg, im Park, im Tempel, Hauseingang, Hinterhof, Geschäftslokal, dicht an dicht geparkt, auf den Straßen ziehen sie wie Insektenschwärme dahin und ganz besonders toll sieht es aus, wenn an den Kreuzungen mehrere solcher Schwärme aufeinandertreffen, ineinander verschwimmen um am anderen Ende wieder auseinander zu finden ohne dass nachher ein Aufräumtrupp das Schlachtfeld säubern muss (andererseits gibt´s in Saigon angeblich auch 6000 Verkehrstote im Jahr). Da wird rechts überholt, von ganz links über alle Spuren hinweg nach rechts abgebogen, und um den Reiz zu erhöhen alles ohne Blinker und abends zu 50% ohne Licht. Sogar telefonieren geht dabei noch. Wirklich nerv tötend ist nur das pausenlose und völlig sinnlose Hupen in Hanoi.

    In einer kleineren Stadt mit weniger Verkehr habe ich das Abenteuer selbst aktiv daran teilzunehmen gewagt und mir ein Fahrrad gemietet,- das ist eher die mir angenehme Geschwindigkeit. Hat man sich erst einmal an den Rhythmus gewöhnt und lässt von vornherein jegliches Fluchen sein, macht diese kreative Form der Straßenbenützung sogar Spaß. Quer durch den Gegenverkehr, schräg über Kreuzungen falsch herum im Kreisverkehr, sich als Geisterfahrer auf der richtigen Spur fühlend, weil einem plötzlich ein hupender Bus oder 3 Mopeds nebeneinander mit sich unterhaltenden Fahrern entgegen kommen. Blickkontakt halten, nachgeben, ausweichen, nur keine unberechenbaren Aktionen setzen. So überquert man auch als Fußgänger eine Straße. Warten ist sinnlos, niemand wird anhalten. Einfach langsam und gleichmäßig losgehen, keine plötzlichen Richtungs- oder Geschwindigkeitsänderungen, mitten durch den Verkehrsfluss waten und er wird sich auf wunderbare Weise teilen und hinter einem wieder schließen. Hat man das erst einmal gelernt macht dieses Erfolgserlebnis richtig Spaß. Obwohl gefühlsmäßig eh jeder ein Moped hat müssen diese trotzdem ständig bewacht oder eingesperrt werden, wofür es unzählige für etwas Geld bewachte Ecken gibt und man sogar einen Bon dafür bekommt, dessen Nummer mit Kreide einfach auf den Sitz gemalt wird.

    Eine weitere allgegenwärtige Besonderheit des Landes (obwohl mir das im Januar auch in kleineren Städten in Kambodscha aufgefallen ist) sind die seltsam schmalen Häuser. Weil angeblich früher (?) die Steuer nach der Breite der Vorderfront berechnet wurde ist diese oft nur 3-4m breit, also eine Doppeltüre plus ein Stück Mauer beidseits. Das sieht ja noch recht nett aus wenn es sich um eine geschlossene Häuserfront handelt, selbst wenn auch diese völlig unterschiedlich hoch und oft nicht einmal in einer einheitlichen Frontlinie gebaut ist. Nett, weil dieses bisschen Front dann bis zum Dach hinauf disneylandartig bunt und hübsch mit Fliesen, Stuck, Balkonen, Säulen, Zierleisten, Vordächern und Giebeln gestaltet ist. Seltsam sieht es nur aus, weil diese 3-4m schmalen Häuser 4-6 oder noch mehr Stockwerke haben, sich 10-20m weit nach hinten ziehen und als Kontrast zur superhübschen Vorderfront seitlich nur ohne Farbe roh verputzt sind und meist gar keine, wenn doch dann höchstens wenige, kleine, einfache oder provisorische Fenster haben, denn es könnte ja jederzeit gleich daran anschließend ein neues Haus hochgezogen werden. So stehen diese Hausblöcke auch in locker verbauten Randgebieten einzeln in der Landschaft und sehen einfach seltsam aus. In Kambodscha stehen noch dazu seitlich bei jeder Zwischendecke über die ganze Länge dutzende, hässliche, einen halben Meter lange Stahlverstärkungen raus.

    Sehr befremdlich ist auch, dass man in Vietnam statt Holz oder Plastik bevorzugt mattes oder gerippeltes Glas oder Plexiglas für Klotüren an öffentlichen Orten, Raststätten oder in Lokalen verwendet. Man sieht nicht durch aber doch genau was der drinnen gerade macht.

    Die Vietnamesen sind, zumindest auf den Touri-Pfaden allermeist sehr freundliche, höfliche, lustige und für Asiaten erstaunlich vorlaut-freche Menschen, die einem gut das Gefühl geben noch Freude am Umgang mit uns zu haben. Ihre Lieblingsbeschäftigung, nach Moped fahren und Hupen, ist es in Gruppen am Gehweg, an Ecken, in Parks oder anderen freien Plätzen auf winzigen nur 20cm hohen Plastikhockern oder der Luxusvariante mit 30cm hohen Plastikstühlen mit Lehne bei einem Tee oder Saft und einer Schale Sonnenblumenkernen zusammen zu sitzen, zu quatschen und die Schalen gleichmäßig über den Boden zu verteilen. Auch in den einfachen Essenslokalen dominieren diese Winzigsitzgelegenheiten. Möglicherweise auch eine subtile Möglichkeit das Volk klein zu halten.

    Ach ja, und natürlich Karaoke singen, laut aus den offenen Karaokelokalen über die Straßen hallend und oft unerträglich schrecklich, wie ich es in Thailand noch nie gehört habe. Auch sonst haben v.a. die Frauen hier oft eine schrille, laute, pistolenartig abgehackte keifende Art zu sprechen, was in einem Reisebus schon eher unangenehm werden kann, oder wenn die neben meinem Tisch stehende und auf meine Bestellung wartende Kellnerin sich über mich hinweg durch den Raum unterhält. Da bevorzuge ich doch den fröhlich-sanfte Singsang und das Quaken der Thais.

    Betritt man Vietnam ist man auch schon vielfacher Millionär. Für 100.- Euro gibt´s 2,7 Millionen Dong, der kleinste Schein ein 500er, der kleinste verwendbare der 10 000er, für den man schon einen einheimischen Kaffee am Plastikhocker bekommt. Der wird übrigens traditionell im Glas mit einem kleinen Alufilteraufsatz und einer Kanne heißem Wasser dazu serviert, um selbst solange aufgießen zu können bis man den richtigen Geschmack hat. Heiß oder mit Eiswürfeln, schwarz oder weiß, das heißt mit einem halben cm dicker süßer Kondensmilch am Glasboden, von der man soviel aufrührt bis die gewünschte Süße erreicht ist. Münzen gibt es keine und die Scheine sind aus Vollplastik, das heißt abwasch- aber nicht faltbar.

    Das Land ist sehr einfach zu bereisen, selbst die einfachen Rucksacktouri-Pfade sind bestens organisiert und recht bequem. Man muss weder einen Busbahnhof noch einen Zugschalter betreten, alles wird für einen kleinen Aufpreis besorgt, die Abholung für die Weiterreise erfolgt von den Hotels und auch diese sind selbst in der billigen Preisklasse um die 7-12.- Euro meist sehr nett eingerichtet, haben Frühstück, kostenlose Internet-Terminals in den Lobbys, hilfsbereites Personal, Minibar, TV, Klimaanlage, Heißwasser und Kühlschrank in den Zimmern. (Für dieses Geld kriegt man in Thailand eher bereits recht abgewohnte Buden mit Personal das nichts versteht und sich nur widerwillig vom Fernseher ab- und der Belästigung „Gast“ zuwendet.)

    Begonnen haben wir unsere Reise im Norden, in Hanoi, bei novembertrüben 19-22°C Grad und Nieselregen, was uns 9 Tage lang, die ersten 1000km bis wir in Zentralvietnam den Wolkenpass, die Wetterscheide das Landes, überquert hatten, begleiten sollte. Wetter, Baustil und die ganze Atmosphäre erinnerten ein wenig an eine südfranzösische Kleinstadt im Herbst. Seltsam wirkten dabei die vielen nur 2m hohen und 1m breiten tunnelartigen Eingänge zwischen den bereits beschriebenen schmalen Häusern, in denen plötzlich wie von Geisterhand Menschen und Mopeds von der Straße verschwanden um erst nach einigen Krümmungen und Ecken 10, 20 oder gar 50m weiter hinten zu ganz schmalen steilen Treppenaufgängen von weit hinter der Straßenfront gelegenen Häusern zu gelangen. Ich nahm es als ersten Vorgeschmack zu den Viet Cong Tunneln im Süden.
    Was noch sofort auffällt sich die hässlich-spinatgrün schlabbrig geschnittenen Uniformen der Polizisten mit ihren großen schüsselförmigen Filzhüten dazu,- kein Vergleich mit den knackig engen aber sicher unbequemen der Thais, die allerdings ihr Kackbraun überdenken sollten……… Erwähnenswert sind noch die vielen Läden für Propagandaplakate und „sozialistische Winkelemente“ (so hießen laut meiner Ossibegleiter die Fahnen in der DDR), die vielen gelben und beflaggten Parteigebäude in jedem Viertel und natürlich der ganz in kommunistischer Tradition einbalsamierte und im Glassarkophag für Besucher ausgestellten Onkel Ho (Ho Chi Minh) in seinem Mausoleum. Zwar war gerade nicht Restaurierungsmonat in Russland, wo er jedes Jahr ein Mal zum Aufpeppen hingeschickt wird, aber Montagsmuseumssperre, sodass wir alles nur von Außen anschaun konnten, inklusive der nicht wirklich aufregenden Wachablöse.

    1975 hatten die Kommunisten ja endgültig die Macht über das ganze Land übernommen, Facebook und viele andere Internetseiten sind nicht zugängig,- aber gerechnet wird in der Währung des Klassenfeindes. Nicht so extrem wie in Kambodscha, wo die einheimische Währung praktisch kaum existiert und sogar die Bankomaten nur Dollar ausspucken, aber v.a. für Touristen wird alles in Dollar genannt und dann erst umständlich und natürlich zu schlechtem Kurs zurückgerechnet, wenn man sein Zimmer in vietnamesischen Dong bezahlen möchte. Ausländer ist gleich Dollar. Sollte der Euro tatsächlich wieder verschwinden wird es wohl eine große Zahl an Ländern geben, die nicht einmal registriert haben, dass sich da eine Konkurrenzwährung zum Dollar versucht hatte zu etablieren. Kommunistisch ist wohl auch, dass hier die Pässe an der Rezeption bis zur Abreise einbehalten werden. Shoppingcenter oder Fastfoodketten, sonst in ganz Asien der Megaboom an jeder Ecke, sind mir bewusst auch keine aufgefallen. Und geraucht darf hier noch fast überall werden, drinnen wie draußen, Restaurant oder Bar.

    Alles in Allem ist Hanoi ganz nett und unspektakulär,- im Gegensatz zur berühmten 3 ½ Busstunden entfernten Halong Bay, Weltkulturerbe und vor Kurzem zu einem der 7 Naturweltwunder der Erde gewählt. 2000 bizarr geformte und bewachsene Kalksteininseln zwischen denen wir 3 Tage lang auf einem kleinen Luxusboot mit hübschen Kabinen und Restaurant herum getuckert sind. Auch ohne Sonne und im kühlen Nebel eine großartige Landschaft, -oder vielleicht gerade wegen der Nebelschwaden so faszinierend mystisch.

    Einziger Wermutstropfen der Reise war, dass sich meine anfänglichen Befürchtungen, als sich im November immer mehr Leute der Reise anschließen wollten (bis zu 11 hätten wir werden sollen), leider bestätigt habe. Anstatt rechtzeitig irgendetwas vorplanen oder organisieren zu können stand eine Woche vor Abreise immer noch nicht fest wer nun wirklich mitkommt, noch dazu bucht, wieder storniert, noch rechtzeitig ein Visum bekommt, wie lange bleibt, jemanden mitnimmt oder nur mitkommt wenn auch ein bestimmter anderer sicher zusagt. Schließlich waren wir 6, von denen aber 3 nur 5 Tage mitkamen, davon 4 „Problemfälle“. Einer lag irgendwie vergiftet die ersten 2 Tage sterbenserschöpft und krank im Hotelbett, danach saß ein anderer 2 Nächte mit Durchfall am Klo (leider mein Zimmergenosse, der seit 13 Jahren in Indien lebt und nach jedem Schiß 10 Minuten scheinbar rituelle Waschungen und Spülungen durchführen musste, sodass ich die ganze Nacht wie neben einem rauschenden Wasserfall lag), 2 waren fußkrank, einer litt an anderen Schmerzen und 2 öffneten schon zum Frühstück die erste Vodkaflasche, labberten ab 10 Uhr jeden mit ihrer Schnaps-Zigarettenfahne voll der nicht schnell genug flüchten oder berufsbedingt nicht ausweichen konnte (Tourguides, Sitznachbarn, Kellner, Rezeptionisten), pöbelten beim Mittagessen bereits laut das Personal an, brachten ab nachmittags keinen geraden Schritt oder Satz mehr zustande, meinten aber trotzdem hartnäckig ihre Umwelt mit ihren Weisheiten beglücken zu müssen.
    Also saß ich abends, dann wenn wir eigentlich den Tag gemeinsam bei ein paar Bieren ausklingen lassen wollten ohne den anderen, alleine mit dem einzigen auch etwas angefressenen Thai im Disco-Inclub oder der superhippen Strandbar. Nur gut, dass wir uns schon seit Jahren kennen, er immer wieder in unserer Runde dabei war, wir gut miteinander auskommen und so auch als Einzige an den diversen Aktivitäten wie Höhlenbesichtigung, Schlamm-Wald-Bergwanderung, Affeninsel besuchen, Kajak fahren oder schwimmen gehen teilnahmen. Die letzten 4 Tage habe ich dann überhaupt ganz alleine verbracht, denn der Thai musste mit dem letzten verbliebenen meiner deutschen Freunde, seinem auch die Reise bezahlenden Freund, nach Saigon vorausfliegen.
    Jedenfalls hatte ich so ein Durcheinander befürchtet aber auch wissentlich in Kauf genommen, zumal wir seit vielen Jahren befreundet sind, einander gut genug kennen um auch Klartext reden und andere Wege gehen zu dürfen, - aber was das Wichtigste ist auch nachher noch Freunde sind. Eine Lehre wird es mir aber auf jeden Fall sein. Und leid tut mir nur, dass ich dafür meine Reise von den geplanten 4 Wochen auf einen 2-wöchigen Schnelldurchlauf reduziert hatte.

    Es war auch kein Problem als wir uns am 9. Reisetag mal für eine Strecke trennten, mein ausgabefreudigerer und abenteuerunlustigerer Freund einen Flug nahm und ich eine für mich selbst nach 20 Reisejahren neue Erfahrung ausprobieren wollte. Nirgends zuvor hatte ich Schlafbusse gesehen, quasi die Unbequemlichkeit auf hohem Niveau. So wie Businessclass im Flugzeug, weit besser als ein normaler Sitz aber eben immer noch kein Bett. Von Außen ein normaler großer Reisebus hat er Innen statt Sitzen 3 Längsreihen mit Betten (links, rechts, Mitte) mit 2 schmalen Gängen dazwischen auf denen dann auch noch Matratzen für die Zusatzpassagiere ausgelegt wurden, über die man am Weg zum Klo in der schwankenden Dunkelheit klettern musste, möglichst ohne ihnen dabei ins Gesicht zu steigen. In jeder der 3 Reihen je 6 Liegekojen hintereinander, oben und unten, d.h. 36 fast flach liegende Personen plus 10 auf den Gangbetten macht 46 liegende Menschen in einem Bus,- eine erstaunliche Konstruktion, Viehtransport de lux. Jede Koje etwa 10cm breiter als mein Becken, der untere fix-waagrechte Teil natürlich zu kurz um meine Beine ausstrecken zu können, der obere nicht ganz flach zu stellen, weil ja drunter noch die Fußkammer des Hintermannes Platz bracht. Also insgesamt zu eng und zu schräg um ein bequemes Bett zu ergeben, aber immer noch 100x bequemer als eine 12-stündige Nachtfahrt im normalen Bussitz.
    Allerdings war die Empfehlung der Buchungstante das obere Bett gleich hinter dem Fahrer zu nehmen nicht wirklich die beste, den der rauchte, schwatzte mit dem Beifahrer, hupte sich den Weg frei und der Gegenverkehr blendete mir durch die Frontscheibe ins Gesicht. Und ab Mitternacht ging´s stundenlang über kurvige Straßen, z.T. auch noch rumpelig, was mich da oben wie in der Hochschaubahn hin und her rollen lies,- wenn da Platz zum Rollen gewesen wäre. So hingegen musste ich ständig gegensteuern, mich festhalten, und fand plötzlich die Sicherheitsgurte im Beckenbereich jedes Bettes gar nicht mehr so sinnlos.
    Vergnügen war es keines, aber ich konnte liegen, bin gut angekommen, habe doch etwas geschlafen, eine neue Erfahrung des Reisens gemacht, und schließlich bedeutet Reisen für mich ja nicht möglichst schnell und bequem von einem Ort zum nächsten zu kommen, sondern den Weg als Ziel anzusehen (ganz so wie es ja auch im richtigen Leben sein sollte, keine Schnellstraße von Wiege zur Bahre). Wenn ich´s einfach und bequem will bleib ich daheim vor dem Fernseher oder in Pattaya im Liegestuhl am Strand .

    So arbeiteten wir uns über die letzte Kaiserresidenzstadt Hue (der erst 1945 abgedankt wurde), von der nach den Kriegen und massiven Bombardements nichts übrig blieb und erst jetzt für die Touristen wieder ein wenig aufgebaut wird, und über die wunderschön erhaltene und renovierte Unesco geschützte alte Chinesenhandelsstadt Hoi An die Küste entlang immer weiter Richtung Süden zu einem der wohl aufstrebendsten zukünftigen Topbadeorte Asiens. Nha Trang, mit 6km superschönem 30m breitem Stadt-Sandstrand, an den eine 30m breite parkartig gepflegte Promenade anschließt und erst dann die großzügig mit 6 Fahrspuren dimensionierte aber noch nur wenig befahrene Beachroad. Davon kann ein langsam gewachsenes und aus allen Ufern gegangenes Fischerdorf wie Pattaya nur träumen. Hier müsste man schon die halbe Stadt abreißen oder wie gerade geplant 30m Strand ins Meer hinaus aufschütten, um für eine vernünftige Promenade und den ausufernden Verkehr Platz zu schaffen. Dort habe ich leider nur ganz knapp eine Freundin aus Wien verfehlt, die 2 Tage später mit ihrem Kreuzfahrtschiff für einen halben Tag anlegte.

    Noch ein paar Busstunden weiter nach Süden wechselte das den Reisenden tagelang begleitende endlose Grün der Landschaft plötzlich auf Staub, Stein, Halbwüste, Sanddünen, Kakteen, roterdig vertrocknete Hügel, kümmerliche Vegetation und hübsche braune Rinder dazwischen. Ziel war Mui Ne, ein weiterer kleiner Badeort nur noch 4 Stunden von Saigon entfernt, also schon als Wochenendausflugsort für die reichen Städter geeignet. 10km lang, wenig einladend entlang einer stark befahrenen Straße gebaut, aber mit einer endlosen Reihe oft superschöner Urlaubsbaderesorts, - und fast durchgehend bereits auch in Russisch beschriftet.
    Die Russen erobern jetzt die Welt, sind scheinbar überall, die Abramovichs in Europa, die Hausmeisterovas in ganz Asien. Unter sich bleibend, laut, mit kleinem Budget, ohne Englisch und -leider oft zu Recht- immer in der Angst überall beschissen zu werden. Aber ich war nicht zum Baden dort sondern wegen der für jemanden ohne richtige Wüstenerfahrung ziemlich beeindruckenden weißen und roten Sanddünen und einem kleinem Fluss, der sich zwischen diesen durch ein enges, stilles, märchenhaft ausgewaschenes Sandsteintal schlängelt.

    Dort und die letzten 3 Tage in Saigon war ich dann schon alleine und konnte mich in meinem alten eigenen Reiserhythmus bewegen. Das heißt zum Beispiel nach der Ankunft in Saigon beim Aussteigen aus dem Bus um 19 Uhr mitten im belebtesten und von 100en Lokalen, Buchungsbüros und Hotels geprägten und von 1000en Touristen aus aller Welt bevölkerten Viertel der Stadt zwar ungefähr zu wissen wo ich wohnen will, trotzdem aber der winzigen, dünnen, quasseligen, älteren Frau die sich sofort an meine Seite heftet und sich bei der Zimmersuche meiner annehmen will eine Chance zu geben. Nachdem sie nicht lügt und die ersten beiden Hotels meiner Wahl tatsächlich eines geschlossen und das andere ausgebucht ist, darf sie mir ihren Vorschlag gleich daneben zeigen. Die besseren Zimmer gehen nach vorne zur lauten wuseligen Straße, aber es gäbe da noch ein Hinterhofkämmerchen für 4,50.- Euro.
    Und genau dieses erfüllt die für mich wichtigsten Kriterien,- sauber, hell, ordentliche Dusche, keine Moskitos und ein großes Fenster im 3. Stock in einen 100m weiten absolut ruhigen Innenhof, in dem nicht das kleinste Geräusch aus einem der umliegenden Fenster oder Häuser zu hören ist. Einzig morgens hört man leise einen Hahn irgendwo krähen. Das ist Luxus für mich und genauso mag ich es, -mitten im Trubel und Durcheinander leben wo man aus dem Schauen und Staunen nicht rauskommt, aber eine ruhige Rückzugsoase wenn alles zu viel wird. Dafür reichen dann auch 1,5m Zimmerbreite bei 4,5m Länge (inklusive dem einen Meter fürs Bad) und 4,5m Höhe. Also eher ein sauber-hellblau gestrichener Schlafschacht mit einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl, einem an der Wand montieren Ventilator, -wo sollte man ihn auch hinstellen-, und einer bunten, einen viertelquadratmeter großen, elektrischen Bilder-Zeit-Kalender-Temperaturanzeige an der Wand (34°C übrigens). Wirklich seltsam war nur, dass hier nicht die Klotüren sondern alle Zimmereingangstüren aus Rippelglas waren und somit jeder von außen sehen konnte ob jemand drinnen ist und mehr oder weniger auch was er tut.

    So konnte ich jedenfalls gut ausgeschlafen am nächsten Tag gleich eine kleine fast 10km Ich-erobere-mir-eine-neue-Stadt-Fußstadterkundungstour machen und alle Sehenswürdigkeiten abgrasen: Kirche Notre Dame,- je eh. Chinesische Pagode des Jadeherrschers, -schon wieder ein chinesischer Tempel. Oper, -gesehn. Bürgerkomiteehaus = altes Hotel de Ville, -auch sehr hübsch. Kriegsreliktemuseum, Militärmuseum, Geschichte der Stadt Museum, Ho Chi Minh Museum, -reichen von Außen. Wiedervereinigungspalast, -ein ziemlich toller 60er Jahre Bau mit dem originalen Interieur, Konferenzräumen und Schreibtischen mit roten Telefonen drauf. Abschluss: Zoo + Botanischer Garten zum Erholen).

    Auf diese Art bekommt man am ehesten auch einen Eindruck und ein Gefühl für das echte Leben zwischen den Sehenswürdigkeiten. Saigon ist jedenfalls überraschend relativ sauber, modern und großzügig angelegt, mit vielen Alleen, Parks, alten Bäumen, breiten Straßen, wenigen Hochhäusern und dazwischen eben ein dutzend oder so Gebäude auf der Sightseeing-Liste. Es gibt eher wenige Autos, die öffentlichen Busse sind optisch nicht wirklich präsent, dafür aber die schon beschriebene Flut an Motorrädern, noch viele Fahrräder und die letzten aussterbenden und als Verkehrshindernis aus vielen größeren Straßen bereits verbannten Fahrradrikschas, die sich tatsächlich, angetrieben meist von alten Männern auf den hohen Sätteln und dem baggerschaufelartigen Passagiersitze vorne, wie Schildkröten langsam durch die Mopedschwärme schieben.

    Überall sitzen die Menschen auf ihren kleinen Plastikstühlen bei Tee zusammen, abends füllen sich die Parks mit Jung und Alt zum Badminton, Fußball, Turnen, Gehen, Fitnessparcours durchmachen, Hunde ausführen, Skaten oder auf einer Bank herumschmusen. In meiner Straße werden zur selben Zeit Stapel von Plastikstühlen und kleinen Tischchen vor die kleinen Shops auf dem Gehsteig bis hinunter zur Straße aufgestellt, auf denen sich wie die Hühner dicht an dicht bis Mitternacht die Touris und auch einige Einheimischezusammendrängen und entweder „rot“ oder „grün“ bestellen, die zwei Sorten von Saigon Bier, hier um 1/3 billiger als im Supermarkt um die Ecke. Alles umschwärmt von den diversen fliegenden Händlern mit ihren Erdnüssen, Früchten, Kaugummis, flachgepressten getrockneten Tintenfischen, Sonnenbrillen und sonstigem Krimskrams. Dazu Behinderte mit Lotterielosen, Frauen die einen einen Meter hohen zusammengebundenen Stapel Bücher auf ihre Hüften gestützt präsentieren und Burschen auf alten Fahrrädern mit einer am Gepäckträger festgeklemmten Laptoptasche und einer Schelle am Stock in der Hand, die langsam ihre Runden drehen, mit der Schelle klappern und so als fliegende Masseure gleich vor Ort beim Bier im Sitzen für 1,5 – 2.- Euro eine halbstündige Massage anbieten.
    Und natürlich die Schuhputzer, die in Vietnam manchmal richtige Wegelagerer sind, unauffällig irgendwo mit ihren Plastikeinkaufstaschen voller Arbeitsutensilien in einer Ecke lauern, kaum dass sie einen Schuh erspähen bei dem die Sohle etwas lose ist heran stürzen und dir unterm Gehen versuchen den Schuh auszuziehen oder wenigstens wie ein Schmetterling seinen Rüssel die Düse ihres Klebstofffläschchens in den Spalt zu stecken. Gelingt ihnen das betrachten sie das Geschäft als angebahnt und man hat die Wahl sie entweder unter energischen Vergewaltigungsrufen abzuschütteln, oder ihre bereitgestellten Badeschlapfen anzunehmen und sie arbeiten zu lassen.

    Zuletzt habe ich auch noch herausgefunden, dass Ho Chi Minh Stadt eigentlich ein ganzes Bundesland bezeichnet mit 90% ländlicher Gegend, das eigentliche Stadtgebiet wie früher noch Saigon genannt wird, das flächenmäßig zwar nur 10% von Ho Chi Minh City ausmacht, wo aber 75% der Bevölkerung zusammenleben.

    Einmal durch einen der wenigen nach dem endgültigen Zerstörungsbombardement der Amis verbliebenen Viet Cong Tunnel kriechen (zur Hochblüte waren es 250km) ist natürlich für jeden Touristen Pflicht, wobei erst die Erklärungen zur ganzen Logistik, dem Aufbau, dem Leben der Menschen darin und die heimtückischen Fallen die sie bauten diese Tour erst richtig interessant machten.

    Essen? Ja, gibt es, ist aber nicht weiter erwähnenswert. Nicht schlecht, nichts Besonderes, aber für uns, die wir das leckere Thaiessen gewohnt sind, einfach geschmacklos und fad und auch mit Tischgewürzen nicht wirklich aufzupeppen. Ein Erlebnis zum Service sogar auf den Winzigtischen der Straßenküchen hier ist allerdings noch erwähnenswert. Ich saß mit eine jungen Englänger beim Abendessen, und als die Köchin merkte, dass er mit den Stäbchen und seinen zusammenklebenden gebratenen Nudeln etwas kämpfte kam sie mit einer Schere rüber und schnitt ihm kurzerhand kreuz und quer ein paar Mal durch seinen Nudelhaufen. Ist doch sehr zuvorkommend,- und ich wäre fast vom Hocker gefallen vor lauter lachen.

    Kriminalität? Also ich hatte mich zu keiner Zeit irgendwie unsicher, bedroht oder gefährdet gefühlt, weder in den Verkehrsmitteln, noch am Strand noch zu nächtlicher Stunde im Park in Saigon.

    Und jetzt ist kurz und bündig Schluss. Mehr hab ich nicht zu schreiben, bin eh 4 halbe Tage dran gesessen, freu mich über den kleine Gecko der eben hinter dem Computerabstelltischchen hervorgekommen ist,- ich sitze mit einem Bier am Boden mitten in meinem Zimmer,- und noch mehr freu ich mich euch in 6 Wochen hoffentlich alle bald wieder zu sehen.
    Zuvor geht´s in 3 Wochen nochmal für ein paar Tage nach Nordthailand Freunde besuchen, dann herrscht eine Woche Thaineujahr-Wasserschlacht- Ausnahmezustand, 1 Woche zum Trocknen, Säubern, meinen Hausstand hier einpacken und verstauen und die Ohrentzündung vom Dreckwasser der Wasserschlachten ausheilen.


    Alles Liebe, bis bald B.
     
  2. jhein05

    jhein05 Co-Pilot

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    Toller Artikel, danke. Werde nächstes Jahr auch mal Vietnam bereisen.
     
  3. Numerius

    Numerius Co-Pilot

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    Vielen Dank für diesen Bericht! Ich starte nächstes Wochenende nach Vietnam.
     
  4. Freiler

    Freiler Lotse

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    Ich war schon da und werde es wieder tun! Für deinen Artikel danke ich dir. Hat viel Spaß gemacht ihn zu lesen :)
     
  5. ViljemN

    ViljemN Einsteiger

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    Danke für deinen tollen und informativen Beitrag!
     
  6. rainer1

    rainer1 Diamond Member

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    gern geschehen .
     
  7. TomTomTom

    TomTomTom Co-Pilot

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    das macht lust auf mehr, will auf jeden fall auch mal nach vietnam, solange es noch keine destination für den massentourismus ist wie thailand. mal gucken wie lange noch ?!
     
  8. Hon_Circle

    Hon_Circle Silver Member

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    Da bist du leider einwenig zu spät, wenn ich so an Nha Trang denke. Zu mindest wird es kein zweites Pattaya in Vietnam geben. Empfehlen möchte ich die Insel Phu Qhuoc mit einzuplanen.

    Toller Bericht und kann jedem empfehlen von Nord nach Süd oder umgekehrt mit Bus, Bahn, Boot, Fahrrad usw das Land zu bereisen.
     

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