Und weiter gehts ...
Der Flug verlief im Großen und Ganzen ruhig und es hätte auch bis zum Schluß so bleiben können, wäre da nicht gerade eine Boeing 747 mit einem Ehrgeiz eines Airbus A-380 gestartet und hätte sie nicht eine Sogwelle erzeugt, in die wir mit 650 Sachen reinrauschten. Vielflieger wissen, was jetzt passiert, oder? Richtig! Eine halbe Eskimorolle nach rechts gefolgt von einer viertel Eskimorolle nach links.
In dieser Situation konnte man bis auf den Fluggast genau erheben, welche Passagiere welchen Status haben. Die normalen Fluggäste mit blauer Karte nahmen sofort die Notlandeposition ein oder suchten hektisch nach dem Sicherheitsblatt. Aufschreie in diesem Clientel hatten akute Absturzangst als Ursache. Die Frequent Traveller krallten sich an den Armlehnen fest, um zusätzliche Stabilität zu schaffen. Einzelne Aufschreie aus diesem Clientel deuteten darauf hin, dass so mancher Frequent Traveller den Unterarm des Sitznachbars an Stelle der Armlehne erwischt hat. Die Passagiere der Senator-Kategorie wachten auf und haben das Schauspiel genossen, während die Honorables genau zu diesem Zeitpunkt von der Seichtschlaf- in die Tiefschlafphase abdrifteten.
Pünktlich in London gelandet (hier darf gelacht werden) betrat ich das Flughafengelände. Ich nenne den Flughafen London Heathrow in Zukunft "Rattenlabyrinth", denn im Grunde besteht er aus einer Vielzahl von mindestens 250 Meter langen Tunnel mit ungewissem Ausgang.
Und so irrte ich durch das Labyrinth, Gang für Gang, Tunnel für Tunnel mit der festen Absicht, durch die Sicherheitskontrolle zu finden und mein Gepäck abzuholen. Nach einem längeren Fußmarsch fiel mir ein Tunnel auf, in dem sich eine große Menschenmenge staute. Mir war sofort klar: Hier geht es zur Security-Control - gleich bin ich bei der Passkontrolle. 30 Minuten später plumpste ich aus dem Tunnel in einem Raum mit Serpentinengängen (randvoll mit Passagieren). Schon etwas genervt von der langen Wartezeit freute ich mich über die Durchsage, dass wegen erhöhtem Passagieraufkommen mehr Security-Personal bereitgestellt werden konnte. Die einzige Auswirkung dieser Durchsage war, dass einer der Passkontroll-Schalter geschlossen wurde. Ging also irgendwie nach hinten los.
Den Weg von der Passkontrolle zur Gepäckabholung war dann eher eine einfachere Übung und der Weg zum Heathrow Express nach Paddington war auch relativ leicht zu finden.
Aber dann passierte das schlimmste an diesem Tag: Ich bekam einen Anruf vom Reisebüro in London, welches den Flug gebucht hatte. Die Dame teilte mir am Telefon mit, wie sehr sie es bedaure, dass mein Flug storniert wurde und entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten, die mir an diesem frühen Morgen dadurch entstanden sind. Sie hätte auch schon den Kunden darüber informiert, dass ich heute verspätet ankommen werde. Und zum Schluß teilte sie mir mit, sie hätte das BA-Ticket storniert und ein neues gebucht. Mein neuer Flieger nach London würde in ca. 1 Stunde von München wegfliegen. Und genau an diesem Punkt kam mein Satz, meine Antwort, die sie völlig aus dem Konzept brachte: "I am already in London (zu Deutsch: bin schon in London, leg Dich wieder schlafen)". Alles, was die Dame aus dem Reisebüro ab diesem Zeitpunkt sagte, konnte nicht mehr zu einem klaren Satz zusammengefasst werden. Es kam ein "How" (Wie) und ein "Hm" ebenso wie ein "What" (Was) darin vor. Mit einem freundlichen "Thank you!" verabschiedetet ich mich von der Dame und überließ sie ihrer Situation.
Doch plötzlich schlug meine mittlerweile wieder gute Laune (der Tante vom Reisebüro habe ich es aber jetzt gezeigt) wieder in eine nachdenkliche bis depressive um, als ich über ihre Worte nachdachte: Sie hat mein Ticket storniert und ein neues gebucht? Und schneller als der Heathrow Express in die Station einfahren kann, war sie wieder da - die All-Inclusive- Panikattacke mit bleicher Gesichtsfarbe und 2 x Übergeben. Ich wußte, dass ich ab diesem Zeitpunkt in einem "ticketlosen" Zustand war. Mir graute und ich überlegte, ob ich den Rückflug wirklich antreten sollte - mit all den Schmerzen in der ultimativen Servicewüste.
Auf dem Weg ins Immigrationsoffice in London bereitete ich dann schon den Text für die Abschies-SMS an meine Familie vor. Bin ja nicht der einzige, der bei einem Flug "verloren" ging - Steve Fosset kam ja auch nicht wieder zurück.
Teil 3 folgt heute abend.
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