Kein Bearbeitungsentgelt für die Erstattung von Steuern usw.

Dieses Thema im Forum "Reiserecht" wurde erstellt von Jet1, 21. August 2012.

  1. Jet1

    Jet1 Platinum Member

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    Fluggesellschaften dürfen, wenn deutsches Recht anwendbar ist, nach einem Urteil des Landgerichts Berlin entgegen der Praxis von Air Berlin und Lufthansa für die Erstattung von Steuern und Gebühren nach der Stornierung von Flugbuchungen kein Bearbeitungsentgelt erheben.

    http://www.vzbv.de/8801.htm

    Nicht entschieden haben die Richter, ob Flugvermittler (Reisebüros, Internet-Portale usw.) berechtigt sind, in solchen Fällen Bearbeitungsentgelte zu berechnen.

    Im Übrigen: Ärgerlich ist, dass z.B. auch Ryanair ein solches Bearbeitungsentgelt verlangt, in die AGB aber reingeschrieben hat, dass bei Flugbuchungen irisches Recht gilt. Ryanair hat sich dadurch der Rechtsprechung deutscher Gerichte entzogen.

    @telefoni2: Danke für den Hinweis auf das Urteil!
     
  2. TallestHotelInJapan

    TallestHotelInJapan Silver Member

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    Re: Kein Bearbeitungsentgelt für die Erstattung von Steuern

    Träum weiter! Wer in Deutschland geschäftet kann deutsches Recht gar nicht ausschliessen!
     
  3. Jet1

    Jet1 Platinum Member

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    Re: Kein Bearbeitungsentgelt für die Erstattung von Steuern

    So? Und warum können dann in ihren jeweiligen AGB z. B.
    http://www.ryanair.de irisches Recht,
    http://www.edreams.de spanisches Recht,
    http://www.flugladen.de niederländisches Recht,
    http://www.govolo.de französisches Recht und
    http://www.tripsta.de griechisches Recht
    mit ihren Kunden als anwendbar vereinbaren?

    Und warum sieht sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin außer Stande, gegen nach deutschem Recht möglicherweise unzulässige Einzelregelungen in den AGB von Ryanair vor deutschen Gerichten vorzugehen?
     
  4. Guest

    Guest Guest

    Re: Kein Bearbeitungsentgelt für die Erstattung von Steuern



    Vielleicht weil die Verbraucherzentrale nicht genügend Mitarbeiter und nicht genügend Geld hat?

    http://www.vzbv.de/

    Und weil die Politik dies so will, weil der Markt es ja schließlich von alleine regelt und die Verbraucher sonst eine zu starke Stellung gegenüber den armen Airlines hätten? Vielleicht mal darüber nachgedacht, dass die Lieblingsparteien der Fielvliegenden Voristen (CSU und FDP, wenn sie denn übedrhaupt im Bundestag sind und nicht von einem Parteienverbot bedroht sind) es sind, die immer wieder die Mittel kürzen?
     
  5. Bommel

    Bommel Silver Member

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    Re: Kein Bearbeitungsentgelt für die Erstattung von Steuern

    Wo hast du denn diese Weisheit her? Niemand (von den hier genannten Airlines) schließt deutsches Recht aus in seinen AGB. Deine Aussage impliziert aber, dass im deutschen recht alles (!!!) geregelt wäre. Da dem mitnichten so ist, können natürlich Unternehmen natürlich als Gerichtsstand bspw Dublin wählen. Und schwupps hast du als Kunde ggfls ein Problemchen.... :shock:
    Da das die vielfliegenden Ryanair-Voristen hier natürlich alle wissen, ist es offenbar nicht so wichtig für die meisten.... :lol:
     
  6. Jet1

    Jet1 Platinum Member

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    Das Kammergericht Berlin hat bestätigt, dass Air Berlin kein Bearbeitungsentgelt für die Abwicklung von Stornierungen berechnen darf.

    http://www.vzbv.de/13876.htm

    Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
     
  7. Schlesinger

    Schlesinger Silver Member

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    'In Artikel 3 Absatz 1 der Rom I-Verordnung ist bestimmt, dass ein Vertrag grundsätzlich – falls dies geschehen ist – dem von den Parteien gewählten Recht unterliegt (sog. Sachrecht). Dies gilt unabhängig davon, ob die Rechtswahl der Parteien individualvertraglich oder durch AGB erfolgt oder auf einer Vertragsseite ein Verbraucher beteiligt ist.

    Gemäß Artikel 3 Absatz 3 und 4 der (EG) Nr. 593/2008 kann dabei je nach Konstellation zwingendes Recht eines EU-Mitgliedstaates nicht vollständig ausgeschlossen werden; dieses gilt gegebenenfalls trotz der anderweitigen Rechtswahl.

    Nach Artikel 6 Absatz 2 der Rom I-Verordnung steht es auch bei Verbraucherverträgen den Parteien frei, das Recht eines anderen Staates zu wählen als das Recht des Staates, in dem der beteiligte Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings darf diese Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Vorschriften des Staates gewährt wird, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Somit setzen sich bereits von Gesetzes wegen die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen des Heimatstaates des Verbrauchers stets durch.
    ' Quelle: http://www.it-recht-kanzlei.de/rechtswahl-agb-verbraucher.html#abschnitt_9
     
  8. Jet1

    Jet1 Platinum Member

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    Was bedeutet das konkret? Kann man somit mit deutschem Wohnsitz Ryanair auch in Deutschland auf Erstattung der Bearbeitungsgebühr für die Abwicklung einer Stornierung verklagen, obwohl vertraglich die Anwendung irischen Rechts vereinbart wurde?

    In den AGB von Ryanair heißt es dazu:

    „2.4 RECHTSWAHL UND GERICHTSSTAND
    Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen Ihr Beförderungsvertrag, diese Beförderungsbestimmungen und unsere Regelungen dem Irischen Recht . Die irischen Gerichte sind für die Entscheidung sämtlicher Klagen oder Verfahren und /oder zur Beilegung sämtlicher Streitigkeiten zuständig.“

    http://www.ryanair.com/de/geschaeftsbedingungen/
     
  9. Schlesinger

    Schlesinger Silver Member

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    Meine Antwort unter #7 ist falsch!

    Gem. Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe b) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) ist ein Beförderungsvertrag kein Verbrauchervertrag. Insoweit gilt das in meiner Antwort #7 Gesagte nicht!

    Vielmehr gilt bei Beförderungsverträgen hinischtlich der Rechtswahl:
    Artikel 5 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) -Beförderungsverträge-
    (1) Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern keine Rechtswahl nach Artikel 3 getroffen haben, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden.
    (2) Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen keine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 getroffen haben, ist das anzuwendende Recht das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
    Als auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen anzuwendendes Recht können die Parteien im Einklang mit Artikel 3 nur das Recht des Staates wählen,
    a) in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
    b) in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
    c) in dem der Beförderer seine Hauptverwaltung hat oder
    d) in dem sich der Abgangsort befindet oder
    e) in dem sich der Bestimmungsort befindet.
    (3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag im Falle fehlender Rechtswahl eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.


    Dies heißt: Ryanair ist durchaus berechtigt, irisches Recht zu vereinbaren.

    Hinsichtlich des Gerichtsstands, also an dem Ort, wo geklagt werden kann, kann sich Ryanair nicht über europäisches Recht hinwegsetzten. Dort gilt für einen Beförderungsvertrag:
    Es kann am Ort des Unternehmes geklagt werden.
    Es kann am Ort der Erfüllung geklagt werden. Letzteres sind bei einer Flugbeförderung der Ablug- u. Ankunftsort.
    Eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ist unzulässig.

    Wenn Ryanair in seinen AGB schreibt: 'Die irischen Gerichte sind für die Entscheidung sämtlicher Klagen oder Verfahren und /oder zur Beilegung sämtlicher Streitigkeiten zuständig', dann ist dieses durchaus richtig, wenn am Sitz des Unternehmens oder am Landeort/Ablfugort in Irland geklagt wird. - Und: Diese von Ryanair gewählte Formulierung schließt nicht aus, daß durchaus am (für Ryanair ausländischen) Lande- oder Ablugort in Deutschland geklagt werden kann, wenn in Deutschland gestartet oder gelandet wird.
     
    Zuletzt bearbeitet: 24. September 2014
  10. Bozen

    Bozen Nach Verwarnungen dauerhaft verreist
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    Frage an den Fachmann: Ist denn die Vereinbarung irischen Unrechts als solche zulässig? Der deutsche Pax hat doch lediglich für seinen Flug von und nach Deutschland durch einen Mausklick ausgeschlossen, dass die Vorschriften des Rechtsraumes, in dem FR sein Geld verdient, gelten. Ist das nicht für ihn total undurchschaubar, d.h. überraschend, mithin AGB-Rechts-widrig?

    So leicht kann man die Regeln der Zivilisation zugunsten einer gescheiterten Steueroase wie Irrrland aufheben? :shock:
     
  11. Schlesinger

    Schlesinger Silver Member

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    Das anwendbare Recht kann sowohl indiviudalvertragslich als auch durch AGB geregelt werden, auch mit einem Verbraucher. Hierzu auch: 'In Artikel 3 Absatz 1 der Rom I-Verordnung ist bestimmt, dass der Vertrag grundsätzlich – falls dies geschehen ist – dem von den Parteien gewählten Recht unterliegt (sog. Sachrecht). Dies gilt unabhängig davon, ob die Rechtswahl der Parteien individualvertraglich oder durch AGB erfolgt oder auf einer Vertragsseite ein Verbraucher beteiligt ist.' Quelle: Daniel Huber freier jur. Mitarbeiter der IT-Recht Kanzlei, München, auf: http://www.it-recht-kanzlei.de/rechtswahl-agb-verbraucher.html#abschnitt_9

    'Von einer überraschenden Klausel spricht das BGB bei einer Klausel in AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihr nicht zu rechnen braucht (§ 305c Abs. 1 BGB). Überraschende Klauseln werden nicht Vertragsbestandteil.' Quelle: http://www.lexexakt.de/glossar/allgemeinegeschaeftsbedingungenueberraschendeklauseln.php

    Mit der möglichen Regelung / Festlegung des anwendbaren Rechts in den AGB muß man jedoch rechnen. Daher ist dies nicht überraschend und führt nicht zur Nichtigkeit.
     

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